TÜRKEI – ERKLÄRUNG DES ÖSTERREICHISCHEN PEN

Die Türkei ist von allen islamischen Ländern seit 1923 die einzige demokratische Nation, allerdings mit Einschränkungen. In einer der größten Flüchtlingskrisen seit dem 2. Weltkrieg gewährt die Türkei 2.9 Millionen Menschen aus Syrien Zuflucht, mehr als jedes andere Land. Das verdient unseren Respekt.

Seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 wird die Türkei autoritär regiert. 90.000 Staatsbedienstete wurden ohne Rechtsgrundlage entlassen, über 40.000 Menschen inhaftiert. Soeben berichtet der Flüchtlingskommissar der UN von dem skandalösen Verstoß gegen die Menschenrechte, dass 350.000 – 500.000 Menschen zwischen Juli 2015 und Dezember 2016, überwiegend Kurden, aus ihren Wohngebieten vertrieben wurden und dabei 2000 Menschen zu Tode kamen. Die Presse- und Meinungsfreiheit im Land ist massiv eingeschränkt. 186 Presseorgane und Websites wurden verboten, über 800 Presseausweise eingezogen, die Berichterstattung aus dem Kurdengebiet im Südosten unterliegt massiven Einschränkungen, einige ausländische Korrespondenten wurden ausgewiesen. Die Zahl der inhaftierten Journalisten und Schriftsteller ist auf über 150 angewachsen. Im Demokratie-Index der Zeitschrift The Economist aus dem Jahre 2016 nimmt die Türkei inzwischen von 167 Ländern (Schlusslicht: Nordkorea) den beschämenden Platz 97 ein. Auf der Liste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen wird der Türkei Platz 151 von 180 Ländern angewiesen.

Der Österreichische PEN und sein Writers-in-Prison-Komitee fordern von der türkischen Regierung die unverzügliche Freilassung aller Journalisten und Schriftsteller, die Aufhebung des Verbots von Presseorganen und die volle Wiederherstellung der Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Justiz.

Der Vorschlag der österreichischen Bundesregierung, die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU auf Eis zu legen, greift im „Kern“ zu „Kurz“ und ist eine populistische Effekthascherei. Der Österreichische PEN verlangt eine Fortsetzung des Dialogs über die Beitrittsverhandlungen, gerade auch, um wegen der besorgniserregenden Einschränkung der Menschenrechte ein wirksames Gesprächsforum zu erhalten.

Wir appellieren an unsere Mitbürger, die in der Türkei wahlberechtigt sind, in dem Referendum am 16. April 2017 dem Versuch der Selbstermächtigung zu einem die Gewaltenteilung zerstörenden Präsidialsystem eine klare Absage zu erteilen. Sie sollten verhindern, dass Recep Tayyip Erdoğan zum Totengräber der türkischen Demokratie werden kann.

Wien, den 16. März 2017

 

Helmuth A. Niederle, Präsident

Wolfgang Martin Roth, Beauftragter für Writers in Prison