RUSSLAND: Stanislaw Dmitriewski mit Verbot seines Buches über Menschenrechtsverletzungen konfrontiert

14. Dezember 2012

RAN 77/12

RUSSLAND: Stanislaw Dmitriewski mit Verbot seines Buches über Menschenrechtsverletzungen konfrontiert


Der russische Schriftsteller, Verleger und Menschenrechtsaktivist Stanislaw Dmitriewski steht neuerlich vor Gericht. Grund dafür ist diesmal das von ihm mitverfasste 1200seitige Buch über Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit des Kriegs in Tschetschenien. Beim ersten Prozesstag am 6. Dezember 2012 legte das Büro des Staatsanwaltes in Nischnij Nowgorod seinen Antrag auf Verbot des Buches vor, da sein Inhalt von “extremistischer” Natur sei. PEN erachtet diesen Fall als ein Beispiel für den zunehmenden Missbrauch der Anti-Extremismus-Gesetzgebung in Russland, der darauf abzielt, legitime Meinungsäußerungen zu unterdrücken. Außerdem betrachtet PEN diesen Fall als Teil einer lang anhaltenden Hetzkampagne, um Stanislaw Dmitriewski durch gerichtliche Schikanen einzuschüchtern.

Dmitriewskis Ko-Autor/inn/en Oksana Tschelischewa und Bogdan Guareli wurden bei der Verhandlung als Mitverantwortliche genannt. Anlass für den Prozess ist ihr 2009 erschienenes Buch  International Tribunal for Chechnya: Prospects of Bringing to Justice Individuals Suspected of War Crimes and Crimes Against Humanity During the Armed Conflict in the Chechen Republic (Internationaler Strafgerichtshof für Tschetschenien: Aussichten, um Personen vor Gericht zu bringen, die verdächtigt werden, während des bewaffneten Konflikts in der Republik Tschetschenien Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben – bislang keine deutsche Übersetzung bekannt). Die international renommierte russische Menschenrechtsanwältin Karinna Moskalenko attestiert dem Buch in einer Rezension vom Juli 2009, dass es “einzigartige Grundlagenforschung im Spannungsfeld von Zeitgeschichte, Völkerrecht, menschenrechtlichen und humanitären multilateralen Grundsätzen und internationalem Strafrecht” aufweise. Hugh Williamson von Human Rights Watch meint, das Buch “basiere auf akribischer Recherchearbeit und sei eine wichtige Informationsquelle über den Konflikt in Tschetschenien”.

PEN verfolgt die Entwicklungen um Dmitriewski bereits seit einigen Jahren genau (vgl. < http://www.pen.org/viewmedia.php/prmMID/1527/prmID/174 >). Dmitriewski  war bereits zahlreichen gerichtlichen Anfechtungen, Drohungen und Angriffen als Folge seiner Veröffentlichungen und seiner Tätigkeit als Menschenrechtsaktivist ausgesetzt. Der Inlandsgeheimdienst FSB leitete polizeiliche Ermittlungen gegen seine Menschenrechtsorganisation, der Russian-Chechen Friendship Society (RCFS, “Gesellschaft für russisch-tschetschenische Freundschaft“) ein und beschuldigte Dmitriewski des „Schürens von Hass zwischen nationalen Gruppen mittels Massenmedien“. Gleichzeitig wurde gegen die Gesellschaft durch die Steuerbehörde und das Justizministerium ein Steuerverfahren eröffnet sowie gegen einzelne Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft (insbesondere Oksana Tschelischewa) eine anonyme Verleumdungskampagne gestartet, im Zuge derer ihre Privatadressen preisgegeben und sie selbst als von Tschetschenen finanzierte Verräter bezeichnet wurden.

Angesichts dieser Situation erklärte PEN Dmitriewski zu einem Schwerpunktfall. Nach einer weltweiten Kampagne durch den PEN konnte Dmitriewski einer Haftstrafe entgehen und erhielt einen zweijährigen Aufschub der Urteilsverkündung sowie vier Jahre Bewährung.

Kurz nach Ende dieses Prozesses wurde die Freundschaftsgesellschaft infolge der Verurteilung Dmitriewskis von den russischen Behörden geschlossen. Seither wurde Dmitriewski Opfer zeitweiliger Schikanen durch die Polizei (Razzien seines Büros im März 2007 und 2008) bzw. durch unbekannte Täter. So wurde im August 2008 ein Ziegelstein in das Fenster seiner Wohnung geworfen und sein Haus mit herabwürdigenden Graffitis beschmiert; zwischen März und November 2012 wurden auf seine Wohnung und seine Büros Brandattacken, Akte von Vandalismus und in mindestens drei Fällen Einbruchsversuche verübt. PEN ist zutiefst darüber beunruhigt, dass Dmitriewski mit gezielten Schikanen konfrontiert ist, um ihn für seine legitime Forschungsarbeiten und Aussagen abzustrafen. PEN befürchtet, dass die gegen ihn anhängigen Strafverfahren ihn letztendlich als Ziel für gewalttätige Gruppen hervorheben, die aus politischen Gründen gegen seine Arbeit als Menschenrechtsaktivist sind.

Weitere Informationen finden Sie auf folgenden Links:

Human Rights Watch: http://www.hrw.org/news/2012/12/03/russia-stop-efforts-ban-human-rights-book

Radio Free Europe Radio Liberty: http://www.rferl.org/content/russia-stanislav-dmitriyevsky-extremism/24789191.html

Zweiteilige Pdf-Version des beanstandeten Buches  (auf Russisch): http://old.novayagazeta.ru/data/2009/079/21.html

Bitte senden Sie Appelle an:
Präsident Wladimir Putin
Präsident der Russischen Föderation
23, Ilyinka Ulica
Moskau, 103132
Russland

Sie können Nachrichten an Präsident Putin auch über die Homepage des Kremls schicken:
http://eng.letters.kremlin.ru/
Bitte senden Sie Kopien Ihrer Schreiben an die russische Botschaft in Ihrem Land.

Für Österreich: Botschaft der Russischen Föderation, S.E. Herr Botschafter Sergey NECHAEV, Reisnerstraße 45-47, 1030 Wien

 

**Bitte kontaktieren Sie das Büro des Writers in Prison Committee (WiPC) in London, wenn Sie Appelle nach dem 31. Dezember 2012 abschicken**

Für weitere Informationen (in Englisch) kontaktieren Sie bitte: Sara Whyatt, PEN International Writers in Prison Committee, Brownlow House, 50/51 High Holborn, London WC1V 6ER; Tel.+ 44 (0) 20 7405 0338; + 44 (0) 20 7405 0338; Fax: +44 (0) 20 7405 0339; Email:
sara.whyatt@pen-international.org < mailto:sara.whatt@pen-international.org >

Übersetzung ins Deutsche und Bearbeitung:  Jürgen Strasser

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